Die Holzmühle

Bildende Kunst im Auftrag, mit einer bestimmten Aufgabe hat eine viel längere Tradition als die zweckfreie Kunst des l'art pour l'art. Und auch heute ist es möglich und sinnvoll, Auftragskunst zu schaffen.

Davon konnten Olavo Schneider und Vladislav Zaytsev die Leitung der Firma Josef Rettenmaier und Söhne überzeugen. In ihr fanden sie einen Auftraggeber für skulpturale Gestaltungen, die repräsentative und symbolische Funktionen gleichermaßen erfüllen.

Die Josef Rettenmaier GmbH, heute ein international erfolgreich operierender Konzern geht auf eine erstmals im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnte, mit Wasserkraft betriebene Holzmühle zurück. Der Firmensitz mitsamt der Hauptproduktionsstätte befindet sich nach wie vor an dem idyllisch gelegenen historischen Standort in der Nähe von Rosenberg im schwäbisch-fränkischen Wald.

Über die Jahrhunderte hinweg betrieben, gelangte die Holzmühle im 19. Jahrhundert in den Besitz der Familie Rettenmaier. Das Zeitalter der Industrialisierung eröffnete neue technische Möglichkeiten: ab 1885 wurden mit einem eisernen Triebwerk und seit 1910 dann auch mit Motorenkraft zusätzlich etliche andere Rohstoffe wie Getreide und Ölsamen vermahlen. Nach dem 2. Weltkrieg konzentrierte man sich wieder auf die Herstellung von Holzmehl und Holzfasern und profilierte sich international durch Cellulosegranulate, deren systematische Erforschung und Weiterentwicklung in einer eigenen Forschungsabteilung betrieben wird. Die Entwicklung von über 100 verschiedenen Typen von Cellulose-Faserstoffen, die als Alternative zu Asbest umweltfreundlich und vielfach verwendbar sind, begründeten schließlich den großen Erfolg der Firma. Sie hat inzwischen Niederlassungen an vielen anderen Standorten und produziert für so unterschiedliche Industriezweige wie Straßenbau und Arzneimittelherstellung.

Eine Werksbesichtigung im Stammhaus begründetet die Idee für das Projekt. Geschichte und Aufgabe des Unternehmens, das auf so einzigartige Weise Tradition und Moderne verbindet, sollten auch symbolisch erfahrbar werden: und dies vor Ort, für die Mitarbeiter und die Besucher gleichermaßen. Die Künstler stellten
sich damit die interessante Aufgabe Kunst ortsgebunden, im Zusammenhang von Arbeit und Produktion zu konzipieren und sinnfällig zu machen. Das ist in einer Zeit, in der sich der Wert von Kunst im allgemeinen über das Museum definiert, ungewöhnlich.

Der »Rohstoff« für die Künstler fand sich vor Ort: Holz, in allen möglichen Formen, Ausgangsmaterial und Metapher für das Unternehmen gleichermaßen. Und auch der Aufstellungsort war vorbestimmt: die lichte Eingangshalle des im Jahr 2006 fertiggestellten neuen Verwaltungsgebäude aus Stein, Stahl und Glas. Sie bildet das Zentrum des Unternehmens, in dem alle Besucher zunächst eintreffen, wo sich aber auch immer wieder alle Mitarbeiter zu Veranstaltungen einfinden. In ihrer Mitte führt eine freigestellte Treppe mit transparenten Stufen und Seitenwänden durch ein weit geschwungenes offenes Oval auf eine Empore in der ersten Etage, von deren Rückseite aus die anderen Gebäudeteile zugänglich sind. Eine Skulptur an dieser Stelle würde von jedem Standpunkt aus sichtbar sein.

Zurück in ihrem Atelier in Berlin hielten Schneider und Zaytsev erste Ideen für eine im Innenraum freistehende Holzskulptur in Zeichnungsskizzen fest. Sie ließen sich dabei von Reflexionen über die vier Elemente leiten. Wasser, Feuer, Luft und Erde sind notwendige Voraussetzungen auch für die Holzmühle und ihre Produktion, heute wie vor vielen Jahrhunderten. Die Künstler bauten ein Modell des Gebäudes in einem Maßstab von 1:50 und stellten erste dreidimensionale Skulpturmodelle darin auf, um deren Wirkung in dem ovalen Raum über beide Geschossebenen zu erproben. Dabei stellten sie fest, dass es noch einen anderen, ebenso gut geeigneten Aufstellungsort gibt: den Vorplatz außen vor dem Verwaltungsgebäude, der ebenfalls mit dem Oval einer erhabenen, mit Rosen bepflanzten Grünanlage ausgestaltet ist. Diese wird durch den Fussweg, der über eine kleine Brücke auf den Haupteingang zuführt, in ein großes und ein kleines Segment aufgeteilt. Bereits hier, so war die Idee der Künstler, sollte sich das Unternehmen auf symbolische Weise repräsentieren, sich durch ein künstlerisches Objekt sinnlich erfahrbar machen.

Wieder in Rosenberg präsentierten sie dementsprechend der Unternehmensleitung ihre ersten Ideen und Modelle für eine Innen- sowie für eine Außenskulptur. Die Vorstellung an beiden Orten Werke aus jeweils drei einzelnen erhabenen Holzstelen